Im 16. Jahrhundert
kam es an verschiedenen Stellen in Europa zu Bewegungen, die Veränderungen in der Kirche gefordert haben. Diese "Reformation" wurde im Norden und Osten Europas geprägt durch Martin Luther und seine Unterstützer, die in Wittenberg lebten und arbeiteten. Im Süden und Westen waren die Reformatoren um Huldrych Zwingli in der Schweiz und Johannes Calvin in Frankreich prägend. Auch wenn es viele Kontakte und Verbindungen zwischen den Reformationsbewegungen gab blieben doch entscheidende Fragen offen. So haben sich zum Beispiel Luther und Zwingli 1529 persönlich in Marburg getroffen und konnten Einigkeit in vielen Punkten erzielen. In ihrem Verständnis davon was das Heilige Abendmahl ist fanden sie aber keine Einigung. In der Folge entstanden in Europa zwei große reformatorische Kirchen: Die "lutherische" Kirche sowie die "calvinistische", oder "reformierte" Kirche.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden in Hessen - wie in vielen anderen deutschen Ländern auch - unter dem Einfluss Preußens die lutherische und die calvinistisch-reformierte Kirche vom Staat zwangsweise vereinigt. Bewusst lutherische Christen widersetzten sich dieser erzwungenen Union: Pfarrer mit ihren Gemeinden, aber auch einzelne Gemeindeglieder und ganze Familien traten aus den evangelischen Landeskirchen aus. Die Pfarrer wurden ihrer Ämter enthoben und zum Teil staatlich verfolgt. In Niederhessen entstand diese "Renitenz" 1873 anlässlich eines Missionsfestes in Melsungen; 43 Pfarrer aus Niederhessen schlossen sich dieser Bewegung an. Sie bildeten die "Renitente Kirche ungeänderter Augsburgischer Konfession in Hessen". Als ihre Führer taten sich besonders Wilhelm Vilmar aus Melsungen und Friedrich-Wilhelm Hoffmann aus Felsberg hervor. Pfarrer Hoffmann zog 1874 zwangsweise nach Homberg und sammelte hier und in der Umgebung eine kleine Gemeinde.

Schon bald kam es zu einer weiteren Spaltung zwischen "Melsungern" und "Hombergern". Die Homberger Gemeinde verließ 1877 die Renitenz in Nord-Hessen und fand neue Kontakte in Süd-Hessen. 1878 schloss sich die Gemeinde der "Selbständigen evangelisch-lutherischen Kirche in den hessischen Landen" (Hessen-Darmstadt) an. Interessant: Obwohl unsere Gemeinde also nur in den Anfangsjahren zur Renitenten Kirche gehörte werden die Gemeindeglieder in der (kirchlich interessierten) Homberger Bevölkerung auch heutzutage noch als "Renitente" bezeichnet.

In den ersten Jahren wurden die Gottesdienste in einem Privathaus gehalten, bevor im Oktober 1884 die Kirche in der Bergstraße geweiht wurde. 1885 konnte die Gemeinde das große Haus in der Bergstraße 17 erwerben. Es war vorher als Taubstummenschule genutzt worden und wurde nach dem Neubau der (heutigen) Hermann-Schafft-Schule frei. Noch Heute gibt es enge Verbindungen der Hermann-Schafft-Schule zu ihrem Gründungsort, indem zum Beispiel die Schulgottesdienste in der Petrus-Kirche gefeiert werden.

Von 1911 bis 1947 wurde die Gemeinde von auswärtigen Pfarrern versorgt, besonders aus Breitungen in Thüringen. Als dies nach der deutschen Teilung nicht mehr möglich war bekam die Homberger Gemeinde wieder eigene Pfarrer.

Mitte der 1980er Jahre kam es zu weitreichenden Umbaumaßnahmen: Nach einer grundlegenden Renovierung ist das große Fachwerkhaus, dessen ältester Teil 1508 erbaut wurde, seit 1985 "Lutherisches Jugendgästehaus" der SELK und damit Sitz des bundesweiten Jugendwerkes der SELK. Die Gemeinde hat zur gleichen Zeit ein neues Gemeindehaus mit Pfarrwohnung auf demselben Gelände gebaut. 1988/ 89 wurde auch die Kirche von Grund auf renoviert und erweitert. Nach dem Einbau von bunten Glasfenstern mit Szenen aus dem Leben des Apostels Petrus trägt sie den Namen "Petrus-Kirche". Sie wird sowohl von der Gemeinde als auch den Gästen des Jugendgästehauses genutzt.

Eng verbunden mit der Homberger Petrus-Gemeinde war die Gemeinde Verna (Frielendorf). Sie wurde im Jahr 2009 aufgelöst. Ihre Gemeindeglieder sind heute in der Petrus-Gemeinde in Homberg zuhause. In der Petrus-Kirche werden zahlreiche Gegenstände verwendet die aus der Kirche in Verna stammen, so etwa das Altarkruzifix, die Kerzenständer und das Lesepult. Das Kreuz, das außen an der Kirche in Verna hing, schmückt seit 2021 das Homberger Gemeindehaus. Aus dem Verkaufserlös der Vernaer Kirche wurde ein neues Abendmahlsgeschirr gekauft das bei jedem Abendmahl in Homberg in Benutzung ist.

Heutzutage bilden die Gemeinden Melsungen, Berge-Unshausen, Schlierbach und Homberg einen gemeinsamen Pfarrbezirk. Sie sind Teil des Kirchenbezirks Hessen-Nord der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK).


Die heutige SELK entstand aus einem Zusammenschluss der lutherischen Freikirchen nach dem Zweiten Weltkrieg. Zunächst schloss sich 1950 auch die Renitente Kirche in Nord-Hessen der (damaligen) Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche an. 1972 kam es dann zum großen Zusammenschluss lutherischer Freikirchen. Aus der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche in Hessen, der Evangelisch-lutherischen (altlutherischen) Kirche in Preußen sowie der Evangelisch-lutherischen Freikirche in Sachsen wurde die heutige SELK. Nach der Wiedervereinigung kam 1991 auch die bis dahin noch bestehende Ev.-luth. (altlutherische) Kirche der DDR zur SELK hinzu.

Die SELK hat bundesweit etwa 33.000 Gemeindeglieder in 180 Gemeinden. Der Sitz der Kirchenleitung und des Bischofs ist Hannover. Sie ist Körperschaft des öffentlichen Rechts. Anstelle von Kirchensteuern wird die Arbeit der Kirche und ihrer Gemeinden durch freiwillige Beiträge der Mitglieder finanziert. Die SELK ist Trägerin der Lutherischen Theologischen Hochschule in Oberursel. Ihre größte diakonische Einrichtung ist das Naëmi-Wilke-Stift in Guben, zu dem ein Krankenhaus, ein Medizinisches Versorgungszentrum, Pflegedienstschule, Kindergarten und viele andere Einrichtungen gehören. Am Gertrudenstift in Baunatal, das aus der Renitenten Kirche entstand, ist die SELK weiterhin beteiligt. Weltweit ist die SELK eng mit anderen lutherischen Bekenntniskirchen vernetzt im "International Lutheran Council".

 

[Christian Utpatel, 15.11.2021 - letzte Aktualisierung: 11.04.2024]